Es finden sich immer wieder verschiedenen Ansichten über die Gefährlichkeit von Waffen, bzw. von den Projektilen. Als Beispiel sei hier ein Artikel des Stern angeführt, der leider keine journalistisch professionelle Arbeit erkennen lässt. Dies meine ich explizit nicht aufgrund seines gegen Waffen gerichteten Tenors, sondern wegen des kolpotierens von Mythen.
Der Unterschied der einzelnen Gewehrgruppen finden sie unter dem Artikel "Sturmgewehr".
Erst einmal ist festzustellen, dass die Wirkung eines Projektils im Ziel durch die Trefferlage zustande kommt. Ein hochpräzises Gewehr mit exakt abgestimmter Munition wird dennoch keine Wirkung im Ziel haben können, wenn es nicht trifft. Also kann die Wirkung eines Schusses auch erst nach dem Schuss festgestellt werden können.
Die Wirksamkeit eines Geschosses kann als einziges tatsächlich beeinflusst werden. Ein Vollmantelgeschoss gibt beispielsweise seine Energie schlechter ab als ein Holspitzgeschoss.
Durch die Haager Konvention sind stark verformbare Geschosse militärisch nicht erlaubt und finden somit nur noch in der Jagd Verwendung. Hier sind die Jäger die einzige Gruppe Waffennutzer die Geschosse verwenden die im Kriegsfall verboten sind - mit dem Ziel das Leid, ließ die Zeit zum Tode, bei einem Tier so kurz wie möglich zu halten.
v.l.n.r: Vollmantel 7,62 x 54R, Holspitzgeschoss .308 Winchester und .22 Hornet, .308 Winchester ID Classic
Vollmantelgeschosse werden von der äußeren Hülle komplett umschlossen, während ein Holspitzgeschoss eine Vertiefung an der Spitze aufweist. Diese wird beim Auftreffen im Ziel auseinandergerissen und vergrößert schlagartig die Oberfläche des Geschosses. Dadurch kann mehr Energie an das Ziel abgegeben werden. Diese Energieabgabe ist vollständig, sofern das Geschoss im Ziel steckenbleibt, wie das beispielsweise in einem Kugelfang so auch sein soll. Jagdlich ist das wiederum nicht gewünscht, weil der Ausschuss eine bessere Blutspur erzeugt.
v.l.n.r. bzw. v.o.n.u.: .45 Auto mit Riefen, 9 mm Luger aufgepilzt Innen- und Außenansicht (Riefen sind auch hier zu erkennen)
Ausschüsse sind auch größer, weil eben eine solche Verformung stattgefunden hat. Außerdem gerät das Projektil in ein Trudeln im Zielmedium. Dieses Trudeln ist der eigentlich tödliche Vorgang. Es wird in sekundenbruchteilen eine Höhle gebildet, die ebenso schnell wieder kollabiert. Das hält kein Gewebe aus und es kommt zu Zerreißungen im Gewebe. Zu den Geweben zählen Haut, Muskeln, Organe, etc. Die Folge sind Blutungen und natürlich die Störung von lebenswichtigen Funktionen, sofern der Treffersitz diese beeinflusst. Hierzu können unter anderem die Atmung, Herzfunktion, Blutkreislauf und, bei einem Kopftreffer, alle Funktionen gehören.
Historisch gab es interessanterweise immer eine Ablehnung die Geschossgröße zu reduzieren und nur mit dem Hintergrund der Munitionsmenge wurde ein Kompromiss eingegangen. Ein kleines Geschoss ist übrigens immer noch sehr tödlich. Wir unterscheiden hier also nur zwischen sehr tödlich und ein wenig tödlicher. Die Behauptung, ein kleines, großes, kurzes, langsames oder rasanteres Geschoss sei gefährlicher als ein anderes ist schlicht falsch.
Nach der Energie des Geschosses kommt es auf die Faktoren, die die Abgabefreudigkeit der Energie bestimmen, an. Das sind die Größe des Geschosses und dessen Verformbarkeit und Zerlegefähigkeit.
Hier ist der Querschnitt eines Geschosses, also dessen Größe, entscheidend. Je kleiner die Masse wird, desto geringer auch die Energie im Zielmedium. Das kann zwar mit höherer Energie, also Geschwindigkeit, zum Teil ausgeglichen werden, hier ist allerdings irgendwann auch ein Ende erreicht. Eine Waffe, die fest montiert werden muss, damit sie noch abgefeuert werden kann, ist nur noch bedingt sinnvoll, zum Beispiel in einer Verteidigungsposition oder in einem Großkampfgerät wie einem Panzer.
Newtons drittes Gesetz (Reaktionsprinzip) besagt, dass es zu jeder Aktion auch eine gleichgerichtete Gegenreaktion gibt. Beim Schießen wird dies Rückstoß genannt. Wird der Rückstoß zu stark, wird es unangenehm bis schmerzhaft eine Waffe zu schießen. Beispiele wären hier die Panzerbüchse aus der Zeit des ersten Weltkriegs oder Großwildbüchsen. Dieser Rückstoß beeinflusst auch Flugzeuge, wenn diese ihre Bordgeschütze abfeuern. Hier kann es im Extremfall zu einem Strömungsabriss durch die Verlangsamung des Flugzeuges kommen. Es gibt allerdings keine tödlichen Verläufe durch Streifschüsse mit sehr hoher Geschwindigkeit. Immer mal wieder gibt es Gerüchte von einem Gewebeschock. Wie oben beschrieben kommt die Wirksamkeit durch das Geschossverhalten im Zielmedium zustande. Dazu muss es seine Energie auf das Zielmedium übertragen können. Bei einem Streifschuss ist dies in einem nur sehr geringen Teil der Fall.
Neben dem Querschnitt ist deshalb auch die Neigung wichtig, wie leicht ein Geschoss zerbricht und damit seinen Querschnitt vergrößert. Je mehr es sich verformt, desto mehr Schaden kann es potenziell anrichten.
Rein physikalisch stoppt ein Geschoss keinen Menschen, es sei denn der Treffersitz erzielt eine entsprechende Wirkung. Eine Beispielrechnung von Beat Kneubuehl (Kneubuehl 2013):
Trifft ein Geschoss der Patrone 45 Auto, (mG = 14,9 g, vG = 260 m/s) auf einen Körper der Masse mK = 80 kg, so ergibt sich nach Gleichung [vK = (mG / mK) * vG] eine Rückwurfgeschwindigkeit von 0,05 m/s = 5 cm/s.
Das bedeutet, dass ein Angreifer, der sich mit 2 m/s (also 7,2 km/h) gerade zum Ziel bewegt um sage und schreibe 0,05 m/s (also 0,18 km/h) abgebremst wird.
Bei der .308 Winchester wären es aufgrund der höheren Geschwindigkeit 0,099 m/s (immerhin schon 0,36 km/h) und bei einem Flintenlaufgeschoss durch die hohe Masse 0,158 m/s (0,57 km/h).
Wäre ein Geschoss tatsächlich stark genug einen Menschen umzuwerfen, würde damit auch der Schütze umgestoßen (siehe Newtons Prinzipien).
Eine Waffe ist ein Werkzeug mit dem äußerst verantwortungsvoll umgegangen werden muss. Dazu gehört Training genauso wie Wissen über grundlegende Eigenschaften des Werkzeugs.
Wenn nun am Ende des oben verlinkten Sternartikels auf die Beschwerden von Jägern ernsthaft eingegangen wird, weil bei einigen Lesern offenbar der Eindruck entstanden ist, "der Artikel würde besagen, dass sich diese Effekte auch mit Jagdmunition einstellen.", ist dies doppelt falsch. Die Begründung warum dies nicht der Fall sei, zeigt erschreckende Unkenntnis auf beiden Seiten: "Die beschrieben (sic!) Effekte ergeben sich aus dem Zusammenwirken von drei Faktoren: Hohe Mündungsgeschwindigkeit, "kleines" Kaliber plus dem Vollmantelgeschoss, wie es das Militär verwendet."